Bildung zugänglich machen

Es gibt wenige Wege, so weit in die Zukunft hineinzuwirken, wie durch Bildung. Dadurch gewinnen wir Fähigkeiten und Wissen. Dazu kommt, dass dies Güter sind, die sich vermehren bei ihrer Verbreitung. Leider ist der Zugang zu Bildung in unserer Gesellschaft höchst ungleich verteilt. Deshalb ist es gut, sich dafür einzusetzen, dass sie besser verbreitet wird. Das gilt für den Zugang zu Hochschulen, wie berufliche Bildung, das gilt für formelle Anschlüsse wie informelle Bildung, das gilt für kommerziell verwertbare Bildung, kulturelle Kenntnisse und gesellschaftlich relevantes Wissen. Bildung ist so vielfältig, wie die Menschen, die von ihr profitieren können.

Ich selbst engagiere mich an verschiedenen Stellen für gute Bildung. Das ist als Dozent an einer Universität natürlich erst einmal auch mein Beruf, zumal ich viele Jahre auch für Fachstudienberatung zuständig war. Mein Engagement begann aber sicher schon bei der Hausaufgabenunterstützung für Kinder geflüchtete Familien während meiner Schulzeit und gleichzeitig der aus meiner Sicht sehr gut bezahlten Nachhilfe für Mittelschichtskids. Ich selbst komme aus einer Familie, deren Reichtum sich in vollen Bücherregalen ausgedrückt hat und nicht so sehr in einem vollen Bankkonto. Ich habe Eltern mit (in Deutschland nicht anerkannten) Universitätsabschlüssen und drei Kindern, die allesamt bis zur Promotion studiert haben. Bildung ist für mich also nicht nur mein Job und ein wichtiger Teil meines Engagements, Bildung ist ein wesentlicher Teil meiner Identität.

Nach der Schule habe ich den Dienst an der Waffe verweigert und stattdessen einen Zivildienst bei einem Verein geleistet, der den Sozialdienst für damals als Asylbewerberunterkünfte bezeichnete Einrichtungen gestellt hat. Auch hier war Kinderbetreuung und Hausaufgabenhilfe ein Teil meines Tätigkeitsfelds. Im Studium habe ich Verantwortung im studentischen Radiosender M94.5 übernommen und dort meine erlernten journalistischen Fähigkeiten direkt weitergeben können. Außerdem habe ich ein EDV-Tutorium mitgestaltet, in dessen Verlauf ich anderen Studierenden die Office-Programme nähergebracht habe. Letzteres habe ich dann während meines Auslandsaufenthalts in Kapstadt auch für Schülerinnen und Schüler in benachteiligten Stadtteilen anbieten können.

Auch aus meinem Berufsleben ergab sich für mich die Möglichkeit, mich für die Bildung zu engagieren. Da ist zuerst die Medienbildung zu nennen. Im Verein Mediaschool Bayern Anbieterverein München, der den studentischen Radiosender M94.5 betreibt, vertrete ich das Institut für Kommunikationswissenschaft und bin inzwischen seit längerem erster Vorsitzender. Ebenso verbunden mit meiner Arbeitsstelle ist meine Mitgliedschaft im Alumni-Verein unseres Instituts, der Studium und Forschung in unserem Fach fördert.

Durch mein gewerkschaftliches Engagement bin ich außerdem Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stiftung, die das gewerkschaftsnahe Begabtenförderungswerk ist. Dort wirke ich auch mit in verschiedenen Gremien der Stiftung. Aber besonders wichtig ist mir der intensive Kontakt mit den Stipendiat:innen der Stiftung, die ich beraten darf und von denen ich auch selbst viel lerne. Dabei hilft, dass die Böcklerstiftung ganz besonders viel Wert darauf legt Leute zu fördern, bei denen der Weg an die Hochschule nicht im Elternhaus vorgezeichnet war oder die einen Umweg über eine Ausbildung gegangen sind. Außerdem bin ich Vorsitzer einer Stiftung, die ein kleines Wohnheim für Studierende in München betreibt und damit auch Menschen ein Studium ermöglicht, die sich die teuren Mieten in München nicht leisten können.

Mein Engagement für Bildung bedeutet für mich:

  • … meine Fähigkeiten und Kenntnisse freigiebig weitergeben. Manch ein Zeitgenosse wird diese Freigiebigkeit als Besserwisserei erlebt haben (nicht ganz unberechtigt: Ich arbeite dran!).
  • … aktiv daran zu arbeiten Hindernisse im Bildungsweg auf die Seite zu räumen oder bei ihrer Überwindung zu helfen.
  • … Türen aufzutun, Pläne zu schmieden und durch Kontakte, Erfahrungen und Ideen diese besser zu machen.
  • … eigene wertvolle Kontakte zu finden und immer wieder sehr viel selbst zu lernen.

Wie kann ich mich selbst im Bildungsbereich engagieren?

  • Selber Fähigkeiten und Wissen weitergeben – zum Beispiel in der Hausaufgabenhilfe für Geflüchtete, als Übungsleiter für Sport oder Musik und als Ansprechperson für Trainees oder Azubis im Job. Pädagogisches Talent ist hilfreich, aber manchmal reichen auch Kompetenz, genaues Feedback und Freundlichkeit.
  • Bildungsinstitutionen unterstützen durch – am besten regelmäßige – Spenden beziehungsweise Fördermitgliedschaft oder aktive Mitwirkung (etwa im Vorstand oder manchmal auch einfach nur wohlwollende Teilnahme an Mitgliederversammlungen). Viele Bildungsinstitutionen haben Fördervereine oder sind von entsprechenden Strukturen getragen. Neben Schulen, Stiftungen und Universitäten gibt es auch noch den großen Bereich der Erwachsenenbildung – für dessen Teilbereich der politischen Bildung ich persönlich große Sympathie empfinde.
  • Die Rahmenbedingungen für gute Bildung zu verbessern ist eine wichtige politische Frage, die jede Bürgerin und jeder Bürger beeinflussen kann. Fragen Sie Ihre Abgeordneten, was diese dafür tun, dass genügend öffentliche Ressourcen für Bildung zur Verfügung stehen. Verlangen Sie konkrete Maßnahmen für Bildungsgerechtigkeit mit messbaren Zielen. Wie stehen sie zur Inklusion von ganz unterschiedlichen Menschen ins Bildungssystem. Schreiben Sie Leserbriefe, gehen Sie gegen Bildungshürden auf die Straße. Werden Sie Teil der Bildungslobby. Gerade, wenn Sie neben die Standardlebensläufe schauen, dann finden Sie viel Verbesserungspotential.

Welche Bereiche fördert gute Bildungsarbeit?

  • Traditionell beachten wir in der Bildungsarbeit vor allem die Vermittlung von konkretem Wissen über die Welt und wie verschiedene Dinge darin zusammenhängen. Auch wenn viele andere Dinge dazu kommen, ist dieser Punkt nicht zufällig zuerst genannt. Denn die Wissensvermittlung ist häufig auch das zentrale Bedürfnis der Menschen, die nach Bildung suchen. Dabei ist natürlich ein wesentlich breiterer Wissensbegriff entscheidend als nur Fakten. Es geht auch um deren Kontext, deren Bedeutung und nicht zuletzt ihre Unsicherheit.
  • An gleicher Stelle wie die Vermittlung von Wissen ist die Weitergabe und Verbesserung von Fähigkeiten zu nennen. Während das Wissen weitgehend explizit übertragen wird, werden Fähigkeiten eher durch Beobachtung vermittelt und eigenes praktisches Handeln mit guten (also konsequenten, ehrlichen aber auch freundlichen) Rückmeldungen über Erfolg und Misserfolg – Lob und Tadel.
  • Meist noch stärker implizit aber nicht weniger wichtig ist die Vermittlung von Normen. Diese werden anhand der erkennbaren Werte und Haltungen der Lehrenden gelernt. Die Vorstellung eine neutrale Haltung an den Tag legen zu können ist aus meiner Sicht zweifach problematisch: erstens ist sie meist unauthentisch und zweitens ist eine solche Haltung eben auch eine Haltung – angesichts unserer komplizierten und verbesserungswürdigen Welt eine recht eigenartige dazu.

Neben diesen direkten Einflüssen guter Bildungsarbeit gibt es auch weitere Bereiche, die gefördert werden.

  • Zuerst will ich die Aneignungskompetenz nennen. Sie weist über den konkreten Lernerfolg hinaus und erleichtert künftiges Lernen.
  • Der produktive Umgang mit Scheitern und Erfolg, Lob und Tadel ist ein ganz wesentliches Ergebnis von Bildung, die immer auch einen geschützten Raum darstellt, um die entsprechenden Erfahrungen zu sammeln. Dabei ist nicht nur wichtig bei negativen Erlebnissen den Mut zu behalten, sondern auch bei positiven Erfahrungen nicht übermütig oder gar überheblich zu werden.
  • Dies führt auch zum wesentlichen Aspekt der Motivation für die Erreichung großer Ziele auch entsprechend zu arbeiten – gerade auch unter widrigen Umständen.
  • Im besten Fall erleben Lernende Selbstwirksamkeit durch Bildung – das Gefühl durch eigenes Wollen und Handeln auch wirklich einen Effekt zu haben.

Es ist kein Zufall, dass alle genannten Bereiche Lehrende und Lernende betreffen, dass ihre Grenzen verschwimmen: so werden auch lehrende Menschen im Prozess ihr Wissen genauer fassen können, ihre Fähigkeiten verfeinern und ihre Normen reflektieren. Sie werden auch besser in der Aneignung dieser Bereiche, erfahrener im Geben und Annehmen von Rückmeldungen, motivierter und erleben ihre eigene Wirksamkeit. Diese Gegenseitig ist nicht nur ein Erfolgsrezept guter Bildung, sondern auch ein wesentlicher Grund, warum sie so vergnüglich ist.

Bernhard Goodwin spricht in die Webcam seines Laptops im Wohnzimmer seiner Wohnung am Esstisch vor einem Bücherregal.
B. Goodwin 2021 beim Online-Unterricht.